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Kasernenanlage Neutramm

Die Garnisonsgeschichte Dannenbergs wird bestimmt durch die ca. 5 km südlich gelegene Kasernenanlage Neutramm nahe dem zur Stadt Dannenberg gehörenden Dorf Tramm. Die weitläufige Anlage, die insgesamt eine Fläche von 175 Hektar umfaßt und seinerzeit die größte Kaserne aller Einheiten des Fernmelderegiments 71, Osnabrück darstellte, wurde ab 1939 als Heeres-Munitionsanstalt der deutschen Wehrmacht erbaut und 1941 weitestgehend fertiggestellt. Aus Tarnungsgründen entstand die Anlage inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes und Teile wurden in Form eines wendischen Rundlinges mit den typischen .
Ende 1941 aber zogen Luftwaffensoldaten in die bisher ungenutzte Anlage ein, um diese nun als Luftwaffen-Munitionsanstalt (Luftmuna) zu betreiben.

Am 13. Dezember 1943 traf erstes Fachpersonal ein, um die Produktion bzw. Montage der Fieseler Fi-103 (militärische Bezeichnung) vorzubereiten, auch unter der Tarnbezeichnung FZG 76 (Flakzielgerät 76) oder in der Nazi-Propaganda als  "Vergeltungswaffe 1 (V1)" bekannt. Vier Tage später wurde auch der Bahnanschluß von der Luftmuna zum Bahnhof Karwitz in Betrieb genommen.

Ab März 1944 lief dann unter größter Geheimhaltung die Montage der "fliegenden Bombe"  an. Die erforderlichen Teile wurden aus dem gesamten Reichsgebiet zugeliefert, aber auch aus der näheren Umgebung. So fertigte eine Tischlerei aus Dannenberg Tragflächen an. Pro Monat wurden bis zu 240 Stück von der V1 montiert, die per Bahn abtransportiert wurden.
Für den Rangierbetrieb innerhalb der Muna wurde eine kleine luftwaffeneigene Diesellokomotive vom Typ Köf II eingesetzt. Zusammengestellt wurden Züge zu je acht Waggons, beladen mit je drei V1. Für die Fahrten von Neutramm zum Bahnhof Karwitz zwecks Übergabe an die Reichsbahn hatte die Wehrmacht eine Diesellok der Bauart WR 200 B 14 abgestellt. Letztere ist nach dem Krieg noch vier Jahrzehnte bei der Deutschen Bundesbahn als V20 036 im Einsatz  gewesen und wurde dann an das DB-Museum Koblenz abgegeben. Sie war dann aber als Leihgabe u.a. viele Jahre in Glückstadt zu sehen. In Neutramm gab es für die Lok einen eigenen Lokschuppen (Geb 43).

Ab Januar 1945 wurde in Neutramm dann auch die bemannte Version Fieseler Fi-103 Re "Reichenberg" für die geplanten, aber nie durchgeführten SO-Einsätze (Selbstopfer-Einsätze) montiert. Aber schon im Februar 1945 kam das gesamte Projekt zum Erliegen, die "Reichenberg" kam nie zum Einsatz.

Als am 23. April 1945, kurz vor Kriegsende, Soldaten eines Panzerbataillons der 5. Panzerivision (5th Armoured Division) der US-Armee von Dannenberg kommend zufällig die perfekt getarnte Luftmuna entdeckten, fanden sie eine fast unversehrte Produktionsstätte mit mindestens 85 Gebäuden vor, die vom letzten deutschen Kommandanten der Luftmuna, Major Fritz Hahn, kampflos übergeben wurde. Neben mehreren Hundert V1 (genaue Anzahl unklar), zumeist in versandfertigem Zustand,  wurden auch etliche vom Typ "Reichenberg" entdeckt. Major Hahn hatte bei seiner Vernehmung angegeben, daß in Neutramm seit Januar 1945 nur 54 Stück der "Reichenberg" montiert worden sind.

Fi-103R vor Halle 45

britische Soldaten inspizieren eine Fi-103 "Reichenberg" vor dem heutigen Geb 45
(damals als L.H.10 [Lagerhaus 10] bezeichnet); im Hintergrund das Bahngleis (Foto: wikipedia)

Aus jener Zeit zeugen innerhalb des heutigen Kasernengeländes nur noch wenige Gebäude/Hallen, die für die Produktion und Lagerung der V1 genutzt wurden. Erhalten geblieben sind jedoch fast alle Wohn- und Dienstgebäude im Unterkunftsbereich.
Die ca. 30 Sprengstoffbunker, ein Großteil der Montage- und Lagerhallen, die Verladerampe sowie der Gleisanschluss zum Bahnhof Karwitz wurden bereits ab April 1949 nach Abzug der britischen Streitkräfte abgerissen (s.u.). Die Lage der Bahngleise kann man auch heute noch erahnen, der Bahndamm von Neutramm in Richtung Karwitz ist zum größten Teil noch erhalten und erkennbar.

Da der Kreis Dannenberg ab 05. Mai 1945 zur Britischen Besatzungszone gehörte, zogen die Amerikaner aus Neutramm ab und britischen Streitkräfte ein. Sie stationierten in der Kaserne eine Instandsetzungseinheit (REME = Royal Electrical and Mechanical Engineers). Bis zu ihrem Abzug am 01. April 1949 reparierte die Einheit ca. 5.000 Jeeps, die per Bahn zu- bzw. abgeschleust wurden. Anschliessend wurden im Auftrag der britischen Militärverwaltung große Teile der Infrastruktur abgerissen. Am 01. Dezember 1949 wurde das Gelände der ehemaligen Luftmuna an den Landkreis Dannenberg übergeben.

Von 1949 bis 1952 diente die Kaserne Neutramm und das Barackenlager dann als Unterkunft für die Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten. In dieser Phase entstanden im Kasernenbereich u.a. Geschäfte, Handwerksbetriebe, ein Kindergarten, ein Jugendheim.

Ende März 1952 übernahm der damalige Bundesgrenzschutz (BGS) die Verantwortung in Neutramm. Für ihren Bedarf wurde u.a. der sich bei Kriegsende schon im Rohbau befindliche Block 94 fertiggestellt, sowie drei Unterkunftsgebäude (Block 100, 101, 102), ein Lehrsaalgebäude (Block 103), die Sporthalle (Geb 22) mit Sportplatz und das Heizwerk (Geb 62) neu gebaut.
Im Laufe der Jahre  wechselten die in der Kaserne stationierten Einheiten des BGS, der bis zur Verlegung der ersten Soldaten des Fernmeldesektor B von Hambühren nach Neutramm im  Juli 1967 alleiniger Nutzer der Anlage war. Im gleichen Jahr wurde auch das Barackenlager abgerissen. Vor der Kaserne, direkt neben der Wache, entstanden zwei Wohnblocks mit je vier Dienstwohnungen für BGS-Offiziere und ihre Familien.

Bis Ende 1973 verlegte dann der BGS nach Bad Bredstedt/Schleswig-Holstein, es verblieb aber ein Bereitschaftszug in der Kaserne stationiert (im Block 94).

Ab 1. Januar 1974 war die Bundeswehr mit dem FmSkt B Hausherr der Kaserne, in der außerdem noch Teile der FmKp 945, später die FmKp 1 des Heeres untergebracht waren.

Aufgrund der Wende wurden die bisher geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung der Bundeswehr drastisch geändert, führten 1994 zur Auflösung bzw. Verlegung der in der Kaserne Neutramm stationierten Einheiten und letztendlich zur Schließung der Kasernenanlage am 30.09.1994.

Nach mehreren europaweiten Ausschreibungen durch das Bundesvermögensamt wurde die Kaserne am 20. März 1997 notariell beurkundet für 7 Millionen  DM an einen Dannenberger Unternehmer verkauft.
Derzeit wird versucht, die Liegenschaft über die → WVG - Wendländische Verwaltungsgesellschaft Neu-Tramm mbH  zu vermarkten.

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg hat seit dem 01. Dezember 2023 fünf Gebäude der ehemaligen Kaserne in Neutramm angemietet, um die Unterbringung von bis zu 350 Menschen zu gewährleisten. Es ist damit kreisweit aktuell größte Standort für Menschen, die Asyl beantragt haben oder vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind.

Viele historische Fotos der Kasernenanlage Neutramm sind im → Wendlandarchiv zu sehen.

Mehr zur Geschichte der ehemaligen "Luftwaffen-Munitionsanstalt z.b.V. Karwitz" → hier.


Die Kaserne Neutramm wurde damals nach dem Dorf Tramm benannt, das 1972 in die Stadt Dannenberg/Elbe eingemeindet wurde.
Nach der Absicht des FmRgt 71, Osnabrück und des in Neutramm stationierten FmSkt B sollte die Kaserne nach Genehmigung durch das Bundesverteidigungsministerium Führungsstab Streitkräfte (BMVg Fü S) in "Wendland-Kaserne" umbenannt werden.

Der Name geht zurück auf den slawischen Volksstamm der → Wenden, auch Sorben genannt, der seinen Stammsitz in der Lausitz hatte. Die typische Bauweise der Wenden, der → Rundling, ist auch in der Kaserne deutlich erkennbar.

Leider ist es aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nie zu der Umbenennung gekommen, es blieb bei der allgemeinen Bezeichnung 'Kaserne Neutramm'.


Im vom Kasernengelände abgetrennten, südlich gelegenen 121 Hektar großen Außenbereich, dem sogenannten "Außengelände", befanden sich ein Übungsgelände, u.a. mit einem in früheren Jahren noch genutztem Handgranatenwurfstand und ein Schießstand (Gewehr). Heute sind kaum noch Überreste ehemaliger Gebäude vorhanden.
Im Lauf der Jahrzehnte hat sich die Natur das Gelände in weiten Teilen zurückerobert. Aufgrund der Tatsache, daß die gesamte Anlage mehr oder weniger im Wald lag, waren für das Außengelände im Sommer bei starker Trockenheit sogenannte "Brandschutzfahrten" angeordnet, im Kasernengelände herrschte dann außerhalb von Gebäuden auch ein Rauchverbot.

Im Außengelände hatte ab 1974 das Technische Hilfswerk (THW, Ortsverband Lüchow-Dannenberg) über zwei Jahrzehnte seinen Standort. Das Gebäude 38 umfasste neben den Diensträumen auch mehrere Garagen. Wegen des Verkaufs  des gesamten Kasernenareals im Jahr 1997 zog das THW in die ehemalige Einsatzstellung Thurauer Berg um und nutzte dort bis 2012 das Bereitschaftsgebäude und das Schleppdach.


Anfangs noch innerhalb der Kaserne gelegen, später aber abgetrennt von der militärischen Anlage, ist in den Gebäuden 44 und 45 das → „Historische Feuerwehrmuseum Neutramm" mit einer interessanten und umfangreichen Sammlung deutscher Feuerwehrgeschichte untergebracht.


Im Wald südöstlich der Kaserne unweit der Bundesstrasse 248 befindet sich eine → Kriegsgräberstätte. Auf dem kleinen Friedhof haben sechs russische kriegsgefangene Soldaten, die als Zwangsarbeiter in der damaligen Luftmuna arbeiten mussten, ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Gräber wurden früher durch Angehörige der Standortverwaltung (StOV) Lüneburg, Außenstelle Dannenberg gepflegt, heute regelmässig von Schülern der Agrarwirtschaft der Berufsbildenden Schulen in Lüchow. Die Anlage befindet sich in einem sehr guten Zustand.


Kriegsgräberstätte Neutramm


Lageplan der Kaserne mit Stand 1990 (ohne Gewähr):

 Lageplan Neutramm


Infotafel

vor einigen Jahren wurde vor der Kaserne eine Informationstafel aufgestellt


Stadtgeschichte Dannenberg/Elbe

Dannenberg an der Elbe als slawische (wendische) SIedlung existiert schon seit dem 9. Jahrhundert n. CHr.; der spätere Name leitet sich von der am Fluß Jeetzel gelegenen Burg "Tannenburg" ab, die 1153 erstmals erwähnt wird und Vorläuferanlage des Schlosses Dannenberg ist..

1203 fällt der Ort laut Teilungsvertrag von Paderborn dem Herzog Wilhelm zu, bevor ihm im Jahre 1293 offiziell die Stadtrechte verliehen wurden. Die Geschichte spricht jedoch davon, daß bereits um das Jahr 1200 die Gemeinde eine städtische Selbstverwaltung gehabt haben soll. Seit 1303 gehört die Stadt dem Haus Braunschweig/ Lüneburg, bis 1569 durch Erbteilung das Fürstentum Dannenberg entsteht. Neben Dannenberg selbst gehören die Ämter Lüchow, Hitzacker, Warpke und Scharnebeck zum neuen Fürstentum.

Nur gut 100 Jahre später, 1671, fällt das Fürstentum durch Vergleich an das Haus Celle/Lüneburg. Schließlich entsteht im Jahre 1867 der Großkreis Dannenberg aus den Ämtern Dannenberg, Lüchow, Neuhaus und Gartow. Nachdem 1885 der Großkreis wieder in die beiden Kreise Dannenberg und Lüchow zerfallen ist, dauert es bis ins Jahr 1932, bis die Wiedervereinigung zum neuen Großkreis erfolgt.

1972 letztlich entsteht durch Gemeindereform die Samtgemeinde Dannenberg, die neben der Stadt selbst die Gemeinden Damnatz, Gusborn, Jameln, Karwitz, Langendorf und Zemien vereinigt.

2006 hat sich die Samtgemeinde Dannenberg mit der Samtgemeinde Hitzacker (Elbe) zur neuen Samtgemeinde Elbtalaue zusammengeschlossen. 

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg selbst ist mit knapp 40 Einwohnern/Quadratkilometer (Stand 2021) der am dünnsten besiedelte Kreis Westdeutschlands (alte Bundesländer).

Wappen Stadt Lüchow

Wappen der Stadt Dannenberg, des Landkreises Lüchow-Dannenberg und der Stadt Lüchow
(von links nach rechts)

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